Heute mal ein eher beratungspsychologischer Text – ich muss ja meinem Studienfach gerecht werden 😉 Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen gerade. Und für die Singles: das kann auch für gute Freundschaften oder andere Beziehungen gelten 😉
Als Paar läuft man schnell Gefahr, sich vom Rest der Welt abzukapseln. Soziale Beziehungen zu anderen und Freundschaften geraten dann schnell in den Hintergrund, denn man hat ja sich. Gleichzeitig scheint es manchmal so, als ob Paare in einer Art Symbiose miteinander verschmelzen – eigene Hobbys werden dann unwichtig, man unternimmt nur noch alles gemeinsam.
Ich beobachte das vor allem im Urlaub: dort gibt es die spezielle Gattung „Radfahrer im Einheitslook“ – radelnde Paare, die sich exakt die gleiche praktische Funktionskleidung gekauft haben. Und das ganz egal, ob pink auch ihm steht oder nicht.

Prinzipiell ist gegen das „Alles gemeinsam“-Prinzip nichts einzuwenden. Es ist sogar sehr schön und wichtig für jede Beziehung, Zeit nur mit dem Partner zu verbringen: Zu reden, zärtlich zueinander zu sein, zusammen zu lachen, gemeinsamen Interessen nachzugehen und Erlebnisse zu teilen.
Problematisch wird es dann, wenn daraus ein „gemeinsam einsam“ wird. Wenn es mal kriselt in der Beziehung oder der Partner zeitlich oder räumlich nicht verfügbar ist, und niemand anderes (mehr) da ist, dann kann aus der himmlischen Zweisamkeit schnell höllische Einsamkeit werden.
Daher ist es wichtig, sich zwar gemeinsamen Hobbys und Freundeskreisen zu widmen (Stichwort Pärchenabende), aber sich auch gegenseitig Freiraum zu lassen, eigenen Hobbys nachzugehen, selbst soziale Beziehungen zu alten Freunden aufrechtzuerhalten etc. Sich Zeit für sich selbst zu nehmen, ganz ohne den anderen.

Aber Vorsicht – nicht bei jedem ist das Bedürfnis nach einer solchen partnerfreien Zeit gleich stark ausgeprägt. Während die einen mehr auf der „alles gemeinsam“-Seite stehen, fürchten sich die anderen eher vor dem „gemeinsam einsam“. Und manchmal wechselt man die Seiten auch im Laufe des Lebens. Wichtig: der eine Partner darf dann nicht das Gefühl haben, von einer Schlingpflanze umklammert und erdrückt zu werden, und der andere darf sich nicht wie ein ausgesetzter Hund vor einem „Ich muss draußen bleiben“-Schild fühlen.
Im hektischen Alltag passiert es vielleicht auch schnell, dass man „gemeinsam einsam“ ist, weil man zu viel getrennt voneinander unternimmt – der Beruf, die Familie, ehrenamtliche Engagements, all das fordert Zeit und wenn man abends fix und fertig nach Hause kommt, bleiben kaum noch Kapazitäten für den Anderen übrig. Dann verbringt man zwar noch ein wenig Zeit zweisam, ist aber trotzdem einsam, weil man die Zeit neben- statt miteinander verbringt. Hier ist dann statt der „Zeit für sich“ eher „Zeit für uns“ gefragt. Sich bewusst Zeit für den anderen zu nehmen, zuzuhören, zu verstehen, nachzufragen, interessiert und ehrlich zu sein.
Wo auch immer man gerade steht und mit welcher „gemeinsam einsam“-Problematik man mehr zu kämpfen hat – Balance und Kommunikation sind gute Stichwörter zur Lösung.