Erstens kommt es anders…

… und zweitens als man denkt.

Die Wahrheit dieses Sprichworts durfte ich heute wieder am eigenen Leib erfahren.
Mein Mann und ich machten uns auf den Weg zum Familienbesuch in den Norden Deutschlands. Das Gepäck war komplett und für die nötigen Umstiege mit Bus, Bahn und Co hatten wir genügend Zeit eingeplant – da konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.


Sicherheitshalber betete ich früh trotzdem noch einmal „Lass uns bitte eine gute Fahrt haben und alle Anschlüsse ohne Stress erwischen“. Gebet erledigt, Wunsch abgegeben, los geht’s!

Dass Gott kein Wunschautomat ist, ließ er mich mal wieder schnell merken. Bei der Ankunft auf unserem Abfahrtsbahnhof der erste Schock: mit der hilfreichen Information „Ersatz durch Bus“ teilte uns die Anzeigetafel mit, dass unser Zug heute ausfiel. Die Mitarbeiterin der Bahn wusste leider auch nur so ungefähr, wo der Ersatzbus abfuhr und wann konnte sie uns gar nicht sagen.

Also warteten wir im strömenden Regen draußen vor der Bahnhofshalle … und warteten … und warteten. Irgendwann rief ich bei der Bahngesellschaft an und man teilte mir nach einiger Wartezeit mit, dass der Bus „von weiter weg kommt“, aber „in wenigen Minuten“ bei uns sein sollte. 20 Minuten später (meine Definition von „wenige Minuten“ war schon lange überschritten) kam dann endlich der ersehnte Zugersatz auf Rädern. Nachdem dieser uns 50 Minuten – in denen ich zwischen Hoffnung, unseren Anschlusszug noch zu erreichen und purer Verzweiflung über das in meinen Rücken tretende kleine Mädchen hinter mir schwankte – durch die Pampa geschaukelt hatte, ließ er uns an einem Bahnhof in einem 3-Seelen-Kaff aussteigen, weil dort jetzt doch ein Zug in unsere gewünschte Richtung fuhr. Meine Nerven waren mittlerweile genauso durcheinander gewirbelt wie das Gepäck in unseren Koffern.

Irgendwann erreichten wir endlich unseren Umstiegsbahnhof – 15 Minuten, nachdem unser ICE von dort abgefahren war – irgendwas war bei meinem Gebet am Morgen („Lass uns alle Anschlüsse stressfrei erreichen“) nicht richtig übermittelt worden.  So glaubten wir zumindest im ersten Moment und schlenderten relativ gemütlich zum Bahnschalter, um uns die Verspätung quittieren und den nächsten Zug in 45 Minuten zu nehmen. Ein zufälliger Blick auf die große Anzeigentafel versetzte mir den zweiten Schock des Tages: Unser ICE hatte ebenfalls 15 Minuten Verspätung und sollte genau in dem Moment abfahren, in dem wir die Verspätung bemerkten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so schnell mit einem riesen Koffer durch eine Bahnhofshalle gerannt zu sein!
Doch der Frühsport lohnte sich, wir erreichten – zwar keuchend und prustend, aber sehr glücklich – unseren Anschlusszug.

Mein Gebet wurde also doch erhört, wenn auch ganz anders als von mir erwartet. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass ich mit Gott rechnen, aber sein Handeln nicht vorausplanen kann. 

P.S. Wie sich herausstellte, war unser Glück eines anderen Menschen Leid: uns gegenüber saß eine junge Frau, die aufgrund der Verspätung des ICEs ihren Flieger nicht mehr rechtzeitig erwischte…